ADHS
bei Kindern und Erwachsenen

heilpädagogische Infos zu Störungsbild und Therapiekonzept
ADHS Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung

Viele Menschen erkennen im Erwachsenenalter erst, was ihnen in der Kindheit das Leben erschwert hat. Vor allem, wenn sie irgendwann eigene Kinder haben, bei denen ähnliche Probleme auftauchen.

Ob das Leben gelingt, ist von vielen Faktoren abhängig. Einerseits besitzen diese Menschen oft große Talente und eine hervorragende Intelligenz. Durch ihre Begeisterungsfähigkeit können sie zu guten Spezialisten auf ihrem Gebiet werden. Aber es kommt darauf an, wie sie ihre Schwachstellen kompensieren konnten, um nicht zu scheitern. So hat jemand vielleicht die Gabe und die passenden Ideen zu einem erfolgreichen Geschäftsmann. Andererseits kann das Chaos in den Papieren ihm große Schwierigkeiten mit dem Finanzamt bringen und die Unorganisiertheit und Impulsivität um Aufträge und Kunden.

ADHS "Erwachsenen-Expertinnen" Johanna Krause und Cordula Neuhaus

Organisationsschwierigkeiten

Treffend schilderte es die Nervenärztin und Psychotherapeutin Dr. med. Johanna Krause in einem Vortrag:

"Nach der Schul- und Lehrzeit kann es zu einer Beruhigung kommen, ein gewisses Sich-Verzetteln ist dann ein Restsymptom, das für den Betroffenen und die Umgebung mehr den Charakter einer lästigen Eigenart eines Menschen darstellt. Häufig gelingt es nicht, Termine einzuhalten oder sich selbst die Erfüllung bestimmter Aufgaben abzufordern“

„Bei Frauen stapeln sich beispielsweise angefangene Näh- und Stricksachen, die Wäsche wächst zu einem unüberschaubaren Berg an. Bei den Berufstätigen verstreichen Termine, die sogar Existenz bedrohende finanzielle Folgen haben können, ohne das sich der Antrieb einstellt, endlich den geforderten Arbeitsbeitrag zu liefern."

Ablenkbarkeit

"Gerade die nicht körperlich unruhigen Menschen lieben den Rückzug in die totale Ruhe, um zu sich selbst zu finden. Ihre Ablenkbarkeit verhindert ein solches sich Sammeln in Gegenwart anderer. In Großraumbüros sind diese Menschen nicht arbeitsfähig. In Gruppen erleben sie häufig eine nicht zu bremsende Neigung, jedem ins Wort zu fallen, alle Themen zu kommentieren und sich mit diesem Verhalten nicht nur Freunde zu machen, doppelter Anlass Gesellschaften zu meiden."

Partnerschaft

Wie es schon in der Bibel heißt: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei...". So kann eine gute Partnerschaft dazu betragen die Defizite des Partners auszugleichen. Der eine bringt „Farbe in das Leben“, der andere die Struktur.

In manchem Fällen jedoch führen gerade diese Gegensätze zu Zerwürfnissen und Trennungen. Am Anfang ist man zwar von dem Ideenreichtum fasziniert, aber im Alltag ist die Belastung durch den sprunghaften, impulsiven Partner oft schwer zu ertragen.

Coaching

"Diese Menschen können ein sehr harmonisches und ausgefülltes Leben führen, wenn es ihnen gelingt, einen Partner zu finden, der ihnen in zurückhaltender Weise den Weg weist, die Amerikaner verwenden das Wort Coaching, das ja heute in aller Munde ist, weil ein Sportler ohne guten Coach nichts werden kann.“

Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden

"Eine andere sehr wenig beachtete aber sehr das Leistungsvermögen beeinträchtigende Schwierigkeit ist die Gewichtung von Wichtig oder Unwichtig. Für viele dieser Menschen scheint eine solche Beurteilung nicht möglich. Dies ist ein Grund, warum sie sich bei den Lernanforderungen mit Nebensächlichkeiten zu lange beschäftigen, die wesentliche Aufgabe jedoch nicht bearbeiten. Gerade wenn die Eltern, spätere Partner oder Arbeitgeber erwarten, dass jemand aufgrund seiner Lebenserfahrung und Ausbildung in der Lage sein müsse, seinen Tagesablauf oder Arbeitsablauf so zu planen, dass auf jeden Fall in der zur Verfügung stehenden Zeit die wichtigen Dinge erledigt sind, kommt es so zu Missverständnissen."

Negatives Selbstwertgefühl

"Das Selbstvertrauen der meisten Betroffenen ist durch viele negative Erfahrungen nicht ausreichend stabil, oft verstehen sie ihre Versäumnisse selbst nicht. Je länger dieser Zustand andauert, desto weniger trauen sie sich auch selbst zu. Bei Jugendlichen sind dann Schul- und Lehrvertragsabbrüche angesagt, bei Erwachsenen Stellenwechsel und Arbeitslosigkeit. Viele finden außerhalb der Familie keine Beziehungen, sie bleiben auf die Familie angewiesen, obwohl sie sich dort auch nicht wohl fühlen. Die täglichen Kleinkriege, verbunden mit heftigen - den Außenstehenden überhaupt nicht einfühlbaren – Wutausbrüchen, intensivieren das Gefühl wertlos zu sein."

Familie und Kinder

„Gerade Frauen in solchen Beziehungen sind oft froh, wenn sich Nachwuchs ankündigt, weil sie der furchtbaren Routineverpflichtung in einem Beruf mit festen Arbeitszeiten und umschriebenen Aufgaben entgehen können. Die Begeisterungsfähigkeit, die viele nicht Hyperaktive auch haben, lässt sie die Versorgung des Kindes in den rosigsten Farben träumen, die tatsächliche Steigerung des Selbstwertgefühls durch die anfängliche enge Beziehung zu einem Säugling ist nicht zu unterschätzen.

Überforderung

"Die Belastung durch das Kind führt bei jedoch bei diesen Frauen auf Dauer leichter zu einer Depression, so wie sie auch gehäuft stärker unter dem prämenstruellen Syndrom leiden. Das Gefühl nur mit sich selbst beschäftigt zu sein, ihre innere Unordnung vor der Umgebung verbergen zu müssen, ist so intensiv, dass mit fortschreitendem Alter und zunehmenden Aufgaben diese Thematik fast das gesamte Denken bestimmt. Die äußere Unordnung fällt in Form von Bergen unerledigter Papiere oder ungebügelter Wäsche auf.“

Erziehung eigener Kinder

„Das Drama nimmt dann seinen Lauf, weil ja auch recht häufig Kinder von der Störung betroffen sind. Der mangelnde Überblick wird für Mutter und Kinder zu einem nicht zu bewältigenden Problem, weil die Grenzen nicht klar gesetzt werden. Diese Kinder können so auch in ihrer Welt nicht den Halt finden, den sie gerade, wenn sie betroffen sind, bräuchten. Bei allen guten Ratschlägen zur Kindererziehung steht die Selbstdisziplin des Erwachsenen an erster Stelle. Aber das ist das Dilemma, dass auch nur wenige Eltern es wirklich schaffen, mit sogenanntem eisernen Willen eine eiserne Ordnung herzustellen --- und wehe dem, der sie zerstört, der kennt nämlich den Einsatz nicht, der dafür vorher geleistet worden ist."

Kinder sind Spiegel

„Der sich zuspitzende Konflikt mit dem Kind ist oft die erste Möglichkeit, Hilfe zu suchen. Wenn die Familie großes Glück hat, wird diese Problematik als Ausdruck einer Hirnstoffwechselstörung erkannt, die sich auf mehrere Arten behandeln lässt. Meist jedoch wird das Verhalten des Kindes als logische Folge einer Überforderung der Mutter bei der Erziehung angesehen oder als Ausdruck einer sicher durch die Überlastung bestehenden Paarproblematik eingeordnet. Oft ist die Mutter schon in einer tiefen Depression und kann sich deshalb mit ihrem Problemen auch nicht mehr darstellen, weil sie ja nicht weiß, was die Henne und was das Ei ist. Nach meiner Erfahrung gelingt es den betroffenen Frauen erst nach einer längeren Phase der Vertrauensbildung in einer Psychotherapie zu akzeptieren, dass nicht nur ihr Kind betroffen ist. Betroffene Männer suchen erst dann Hilfe, wenn Partnerschaften endgültig gescheitert sind oder die Diagnose bei den Kindern zum Vergleich mit eigenen Schwierigkeiten in der Kindheit Anlass gibt. „ (Johanna Krause)


Quellen:
Behandlungsansätze bei Erwachsenen mit ADHS von Dr. med. Johanna Krause, Nervenärztin und Psychotherapeutin Vortrag für die Elterninitiative zur Förderung hyperaktiver Kinder e.V.

Dipl. Psych. Dipl. Heilpäd. Cordula Neuhaus aus"Lass mich, doch verlass mich nicht"